
Philipp von Zitzewitz hat sich mit seinen Graffiti über Hannovers Grenzen hinaus einen Namen in der Kreativbranche gemacht. Seine Bilder zieren Hausfassaden, Werkshallen und Bauzäune, Jugendzentren oder Lkw. Unternehmen wie das Landesstudio des ZDF, der Erlebniszoo Hannover oder der Künstlerbedarfshändler Boesner lassen sich von ihm Wände und Fassaden per Spraydose gestalten. Doch nicht nur mit der Spraydose ist von Zitzewitz kreativ: Als Dokumentarfilmer dreht er Imagefilme für Unternehmen, dokumentiert aber auch Szene-Events wie das Streetart-Festival Hola Utupia (2020) oder Graffiti-Workshops in der Gedenkstätte Ahlem.
Graffiti als Vorläufer der heutigen Fassadenkunst sind zwar bereits aus vorchristlicher Zeit bekannt, doch so richtig begonnen hat es mit dem Erfolg der Sprayerkunst im New York erst in den Siebziger- und Achtzigerjahren, als junge Künstler U-Bahnen mit ihren kunstvoll gestalteten Tags versahen. „Wenn man in New York nicht damit angefangen hätte, Graffitis zu machen, würde es heute nicht diese weltweit etablierte Kunstform geben“, meint von Zitzewitz, der sich als Jugendlicher vom Nervenkitzel der Atmosphäre des – natürlich meist illegalen – Sprayens und den damit verbundenen Gefahren angezogen fühlte.
Damals nutzte er jede Gelegenheit, auch ganz legal bereits als Schüler Fassaden gestalten zu dürfen, und es gelang dem begeisterten Sprayer, seine Künste zu verfeinern und weiterzuentwickeln. Dabei ging es ihm am Anfang nicht in erster Linie darum, Kunst zu machen: „Man wollte wissen, was passiert, wenn man draufdrückt auf den Knopf. Man wollte sich einen Namen machen in seiner Szene, Anerkennnung finden. Es war wie eine Mischung aus Mutprobe und einem Spiel, das nur eine kleine Gruppe versteht. Damit schafft man sich eine Persönlichkeit und sucht sich einen Zuspruch“, erinnert er sich. Stilistisch war die Ausrichtung für den jungen Graffitikünstler klar: „Mich hat immer der Realismus gereizt, den ich mit grafischen und abstrakten Elementen und Schrift kombiniere.“
Viele Anfragen für Graffiti von Unternehmen

Die Wandgestaltung und die Malerei traten zunächst in den Hintergrund, als von Zitzewitz begann, Fernsehjournalismus zu studieren, um sein zweites Steckenpferd zu professionalisieren: den Dokumentarfilm. „Als der Film wichtiger wurde, habe ich die Malerei fast aus den Augen verloren. Anfang 2000 kamen die ersten größeren Aufträge. Über die Jahre ist das gewachsen, und heute ist ein Graffiti ein bißchen wie das Tattoo der Zeit – jeder will es haben.“ Neben den Auftragsarbeiten für Firmen dreht er Filme über eigene Projekte oder solche, die ihm wichtig sind, etwa die UJZ Glocksee oder sine Graffiti-Workshops. Schon lange kann der gebürtige Hannoveraner von seiner Kunst leben und davon seine Familie ernähren. „In so ´ner kleinen Stadt gibt es halt nur eine Handvoll Leute, die das anbieten. Da kann man kann sich vor Anfragen kaum retten“, sagt er.
Woran es wohl liegt, dass Graffiti sich vom illegalen Protest zum gefragten Wandschmuck entwickelt haben? Hier sieht von Zitzewitz Parallelen etwa zu den Punk-Bands, die mit Erreichen eines höheren Bekanntheitsgrads mehr Geld verdienten und sich auch in einer breiteren Gesellschaft etablieren. „Früher haben wir viel Ärger eingehandelt, heute bekommen wir Geld dafür. Vielleicht hat man die Leute auch mit einer gewissen Qualität von dem, was man da macht, überzeugt und ihnen die Argumente genommen, sich dagegen zu stellen. Ich habe damit viel an Persönlichkeit aufgebaut – mein Selbstwertgefühl, meine Einstellungen.“
Arbeit mit Jugendlichen
Wichtig ist ihm heute, diese Haltung auch an Jugendliche weiterzumitteln. Ein großer Teil seiner Arbeit gilt Workshops, in denen der ausgebildete Jugendleiter Jugendliche anleitet, Wände per Spraydose zu gestalten. Er schätzt die Möglichkeit, über das Sprayen den Zugang zu den Jugendlichen zu öffnen und sich so auch etwa über politische Themen auszutauschen.

Zum Beispiel das Besprayen eines Gebäudes in Wennigsen, das abgerissen werden sollte. Im Oktober 2022 hat er es gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern auf die Wände gebracht – wo es sich nun allmählich auflöst, da altuell Teile der Fassade ersetzt werden. In Hameln hat er die Ergebnisse der Gewinner eines Ideenwettbewerbs der Stadt mit dem Titel „verstrickt“ mit Schülern realisiert. Man darf gespannt sein, wo die nächsten Werke auftauchen. So mancher Abriss dürfte angesichts der kunstvollen Ergebnisse dabei nochmals überdacht werden …
Der Artikel ist zuerst erschienenen in niedersachsen aktiv, Ausgabe November 2022, und wurde im August 23 aktualisiert.
Mehr über Philipp von Zitzewitz findet ihr auf seiner Website fassadenkunst.de